Ehrenamt fördern mit System

Der Schatz des Ehrenamts in unserer Kirche

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Von jeher gehörte es zu den selbstverständlichen christlichen Grundhaltungen, dass Ehrenamtliche aktiv in der Gemeinde mitarbeiten und ihre Gaben und Talente zur Ehre Gottes einbringen.

Bis heute sind Kirchengemeinden und die ihnen angeschlossenen diakonischen Einrichtungen ohne das Ehrenamt vieler engagierter Christinnen und Christen undenkbar. In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg waren im Jahr 2011 150.000 Menschen statistisch als Ehrenamtliche erfasst.

 

Diesen "kostbaren Schatz", der vermutlich noch weit über diese Zahl hinausreicht (je nach Definition wer als Ehrenamtliche/r bestimmt wird), gilt es differenziert wahrzunehmen und anzuerkennen. Ehrenamtliche, ob langjährig dabei oder neu hinzugekommen, sichtbar oder im Verborgenen, bilden zusammen das verlässliche Fundament, das jenseits von aktuellen Sparmaßnahmen und strukturellen Veränderungen, auch in der Zukunft der Kirche weiter an Bedeutung gewinnen wird. Dabei kommt es vor allem neben dem Wahrnehmen und Anerkennen auch darauf an, dass das Zusammenspiel zwischen Haupt - und Ehrenamtlichen wechselseitig wertschätzend und partnerschaftlich erfolgt.

 

Ehrenamt neu verstehen

 

Gesamtgesellschaftlich ist die Nachfrage an Ehrenamtlichen steigend. Bürgerschaftliches Engagement findet vermehrt staatliche Beachtung und wird gefördert. Vereine, Verbände und Organisationen suchen nach Ehrenamtlichen um langfristig ihre Arbeit zu stabilisieren, zu ergänzen und innovative Projekte umsetzen. Das Prinzip der Freiwilligkeit wird dabei einerseites hochgehalten, während andererseits die Grenzen zwischen monetär ergänzter Wertschätzung und Ehrenamt verschwimmen.

 

Die Frage stellt sich: Steht das Ehrenamt damit zunehmend in einem Wettbewerb?

Menschen entscheiden sich in der Regel nach wie vor sehr bewusst für ein Ehrenamt und suchen sich das Handlungsfeld dafür gezielt aus. Der "Eigen-Sinn", der dem ehrenamtlichen Engagement zugeschrieben wird, ist zugleich auch ein Teil der Antriebskraft für Menschen sich zu engagieren.

Christinnen und Christen bringen sich auch heute nach wie vor bewusst auf Kirchengemeindeebenen ein, weil sie "Gemeinde" mitgestalten möchten. Das belegen neue Zahlen einer EKD-Untersuchung vom April 2013, wo 77 % der evangelischen Ehrenamtlichen angeben, sich auf der Ortsebene sogar mit mehreren Ehrenämtern zu engagieren.

Insbesondere mit dem Focus nach Sinnhaftigkeit eines Ehrenamtes und eine in Gemeinschaft ausgeführte Tätigkeit, sind Menschen offen und stellen ein Teil ihrer (kostbar gewordenen) Lebenszeit zur Verfügung. Darüber hinaus soll heute ein Ehrenamt in weiten Teilen auch Freude bereiten.

Weiter kommt hinzu, dass häufig Christinnen  und Christen, die sich in der Kirche bereits engagieren, darüber hinaus bereit sind, sich auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen weiter einzubringen. So engagiert sich laut der o.g. Untersuchung gut die Hälfte der Befragten auch außerhalb der Kirche.

"Kirche ist nicht nur Plattform, sondern auch Motor für zivilgesellschaftlichen Einsatz. Offensichtlich ist eine christliche Grundhaltung ein wichtiger Faktor für das freiwillige Engagement."

Christinnen und Christen sind als Teil der Gesellschaft, in der sie leben, auch herausgefordert, sich mit dem gesellschaftlichen Wandel und dessen Auswirkungen auseinanderzusetzen.

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Erwerbsarbeit, Bildung und Erziehung, veränderte Lebensentwürfe, um nur einige zu nennen, ändern sich auch für sie stetig. Die demografische Entwicklung der Bevölkerung stellt Familien vor die immense Herausforderung, alle Lebensbereiche miteinander in Einklang zu bringen.

 

Persönlich veränderte Lebensbedingungen bleiben auch gegenüber dem Ehrenamt in der Kirche nicht ohne Auswirkungen. So verändern sich Einstellungen und Erwartungen an Rahmenbedingungen auch bei kirchlichen Ehrenamtlichen.

 

  • Potentielle Ehrenamtliche suchen heute klar definierte Aufgaben.
  • Sie orientieren sich verstärkt an Inhalten und weniger an institutionellen Einbindungen.
  • Sie erwarten Möglichkeiten der Mitbestimmung und Gestaltung und vor allem zeitlich überschaubare, begrenzte Mitarbeit.
  • Begleitung, Förderung und Qualifizierung für die Aufgaben, die sie übernehmen, müssen auf die Anforderungen und Personen abgestimmt sein.
  • Wertschätzung und Anerkennung dürfen keine Anhängsel sein, sondern müssen überzeugend vermittelt werden und selbstverständlicher Bestandteil einer ehrenamtlichen Tätigkeit sein. 

Das Projekt:

Ehrenamt fördern mit System

Ein Angebot zur Unterstützung des Ehrenamts durch die Evangelische Landeskirche in Württemberg

 

Mittlerweile ist die Erkenntnis, sich um Ehrenamtliche qualifiziert zu bemühen, sich fachkundig bei der Entfaltung ihrer Gaben und Talente zu fördern und zu begleiten, in vielen Bereichen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg selbstverständlich und auf unterschiedlichen Ebenen Konsens. Seit 1992 der  Landeskirchliche Arbeitskreis "Ehrenamt" gegründet wurde, hat die Evangelische Landeskirche das Thema an verschiedenen STellen immer wieder aufgegriffen und weiterentwickelt.

Dafür sprechen die Leitlinien Ehrenamt, die bereits 1995 zu ersten Mal veröffentlicht und 2013 neu überarbeitet, erschienen sind. Mehrfach wurden in den Folgejahren von der Landeskirche mit Projekten, bei denen Ehrenamtliche in den Focus der Förderung gerückt sind, Schritte und Ressourcen zu einer Unterstützung der Ehrenamtsförderung für Kirchengemeinden zur Verfügung gestellt.

 

2010 wurde schließlich der Begriff. "Ehrenamt fördern mit System" offiziell eingeführt. Die Bezeichung ist zugleich auch Pogramm. Sie verweist darauf, dass durch eine gezielte (systematische), geplante und koordinierte Begleitung und Förderung des Ehrenamts ein Beitrag geleistet wird, um die Qualität der Arbeit mit Ehrenamtlichen an der BAsis voranzubringen.

 

Das Projekt zur Ehrenamtsförderung (Laufzeit 2012-2016) und seine Zielsetzungen:

 

Das Gesamtziel des Projekts ist, neue weitere Impulse für die Ehrenamtsförderung in der Evangelischen Landeskirche zu setzen, um damit langfristig eine veränderte Kultur des Ehrenamtes anzustoßen. Das besondere des kirchlichen Ehrenamts soll berücksichtigt sein: dem Evangelium treu zu bleiben und gleichzeitig den geänderten gesellschaftlichen Realitäten, in denen Christinnen und Christen leben, gerecht zu werden.

Mit dem Projekt: Ehrenamt fördern mit System setzt die Evangelische Landeskirche den Akzent auf Beratung von Leitungsgremien in Kirchengemeinden/Kirchenbezirken bei konzeptionellen und konkreten Fragen sowie weiteren Vorhaben zur Ehrenamtförderung. Grundlage sind dabei Schritte aus dem Freiwilligen-Management, die situationsgerecht für den kirchlichen Kontext eingebracht werden.

 

Durch ein prozess - und lösungsorientiertes Vorgehen (systemischer Beratungsansatz - vgl. Gemeindeberatung) wird die gesamte Situtation der Arbeit mit  Ehrenamtlichen, von einem qualifizierten Beraterteam, zusammen mit den zuständigen Leitungsgremien bzw. mit einer vor Ort gebildeten Projektgruppe, in einer Kirchengemeinde/Einrichtung/Bezirk, in den Blick genommen. Gemeinsam werden Ziele und Schritte für die Umsetzung erarbeitet.

 

Zielgruppen sind Haupt - und Ehrenamtliche in Leitungsgremien in Kirchengemeinden, -bezirken und deren gemeindediakonischen Einrichtungen.

  • Mitte Januar 2014 geschieht die Veröffentlichung einer Ausschreibung (über das Internet und Flyer) für Kirchengemeinden/-bezirke und deren gemeindediakonischen Einrichtungen;
  • Interessenten füllen ein Bewerbungsformular aus (erhältlich bei der Projektstelle oder im Internet) und senden dieses bis spätestens zum angehenden Bewerbungsschluss an die Projektstelle;
  • Die Bewerberauswahl und Benachrichtigung zur Teilnahme erfolgt im April/Mai 2014
  • Die Zuordnung der Projektteilnehmer und Beraterteams geschieht Mai/Juni 2014
  • Der individuelle Start für Beratungen ist spätestens ab Juni/Juli 2014
  • Die Dauer der Beratung wird individuell vereinbart
  • Die Beratungskosten entsprechen den Sätzen der Gemeindeberatung in der Evangelischen Landeskirche.
  • Die Evangelische Landeskirche in Württemberg unterstützt das Projekt durch Übernahme von 50 % der Beratungskosten. Die andere Hälfte der Beratungskosten tragen die Projektteilnehmer. Die Beratung wird über die Projektstelle abgerechnet.

Weitere Angaben und Informationen zum Projekt finden Sie im Internt unter:

www.ehrenamt-foerdern-mit-system.elk-wue.de oder www.gemeindeentwicklung-gottesdienst.elk-wue.de

Wir beraten Sie gerne vorab auch telefonisch oder in einem persönlichen Gespräch:

 

Evangelisches Bildungszentrum

Haus Birkach, Gemeindeentwicklung und Gottesdienst

Grüningerstr. 25, 70599 Stuttgart

 

Projektleitung: Brunhilde Clauß, brunhilde.claussdontospamme@​gowaway.elk-wue.de

Telefon: 0711/45804-9452

 

Projektsekretariat: Angelika Reißing,

angelika.reissingdontospamme@​gowaway.elk-wue.de

Telefon: 0711/45804-9421

 

 

Nachgefragt: Ehrenamtliches Engagement in der Kirche - den Glauben sichtbar werden lassen

Interview mit dem Bildungsportal

Sie leiten Gruppen, bereiten Gottesdienste vor, organisieren Bildungsveranstaltungen, besuchen Patienten in Krankenhäusern und Altenheimen, arbeiten als Kirchengemeinderäte: Ungefähr 150.000 Menschen engagieren sich ehrenamtlich in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Nadja Golitschek hat mit Gemeindeberater Hans-Martin Härter und der Leiterin des Projekts "Ehrenamt fördern mit System", Brunhilde Clauß, beide im Evangelischen Bildungszentrum Birkach tätig, über Bedeutung und Zukunft des Ehrenamts gesprochen. (PDF)

 

bildungsportal-kirche.de: Man hört immer wieder, dass es zu wenige ehrenamtliche Mitarbeiter gibt. Wie sieht es in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg aus?

Hans-Martin Härter: Auch wenn viel geklagt wird - in der Kirche haben wir eine leicht steigende Tendenz. Derzeit gibt es in der Landeskirche ca. 150.000. Ehrenamtliche. Hier gilt es genauer zu schauen: In welchen Bereichen steigt das ehrenamtliche Engagement an, wo geht es zurück? Das ist sehr aufschlussreich, weil das häufig mit guten Rahmenbedingungen zusammenhängt. Beispielsweise haben die Vesperkirchen, Jugendchöre und Hospizinitiativen einen großen Zulauf. Eher rückläufig ist das Interesse in leitenden Gremien mitzuarbeiten oder regelmäßige Gruppenangebote zu organisieren.

 

bildungsportal-kirche.de: Woran liegt es, dass einige Bereiche für Ehrenamtliche attraktiver sind als andere?

Brunhilde Clauß: Die Menschen möchten heute klar beschriebene Aufgaben, überschaubare und begrenzte Projekte, mitbestimmen und mitgestalten. Als Kirche muss man hier einen Spagat schaffen: Ehrenamtliche sollen sich in bestehenden Strukturen gut aufgehoben fühlen und gleichzeitig auch Eigenes einbringen können. Auf lange Sicht wollen wir auch jüngere Menschen und andere Milieus ansprechen. Das setzt voraus, dass man die Situtation der Menschen kennt und sich auf sie einstellt. 

Härter: Dazu kommt, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, sich zu engagieren. Und das muss nicht unbedingt in der Kirche sein. Als Anbieter von ehrenamtlichen Tätigkeiten muss man überlegen, wie man in diesem "Wettbewerb" besteht und attraktive Bedingungen bieten. Wenn Kirche neue Felder erschließen und innovativ bleiben will. muss sie auf die Ehrenamtlichen hören. Und Initiativen und Ideen in bestehende Strukturen mitaufnehmen.

Gleichzeitig sollten bestehende Strukturen und bisher bewährte Arbeitsformen auch weiterentwickelt werden können.

 

bildungsportal-kirche.de: Dass sich mehr Menschen engagieren, ist eine schöne Entwicklung. Worin liegt die Ursache dafür?

Clauß: Im Ehrenamt kann man neue Dinge ausprobieren, wozu man im Beruf oder im Alltag vielleicht keine Gelegenheit hat. Es geht auch darum, Gemeinschaft zu erleben und Kompetenzen zu erwerben. Gesellschaftspolitisch können Akzente gesetzt werden, beispielsweise in der Flüchtlingsarbeit. Der eigene Glaube wird sichtbar und real. Dabei geht es vielen Menschen um Mitmenschlichkeit aber auch um Teilhabe und soziale Gerechtigkeit.

Härter: Vielen geht es auch um die spirituelle Erfahrung. Und zu erleben, es es heißt, seinen Glauben im Alltag zu leben.

 

bildungsportal-kirche.de: In welchen Bereichen arbeiten Ehrenamtliche?

Härter: Sie finden in der Kirche kein Arbeitsfeld, in dem nicht auch Ehrenamtliche aktiv sind. Sie finden Ehrenamtliche in leitenden Funktionen, wie Kirchengemeinderäte, Synodale, im Bereich Gottesdienst wie Prädikanten,  und Posauenenchorleiter, im Bereich der Diakonie und Jugendarbeit, um nur ein paar zu nennen.

Clauß: In den meisten kirchlichen Arbeitsfeldern arbeiten Haupt - und Ehrenamtliche neben - und miteinander, beispielsweise in der Seniorenarbeit, in Besuchesdiensten oder in der Gottesdienstgestaltung. Dadurch werden auch neue Ideen entwickelt.

 

bildungsportal-kirche.de: Wenn sich Ehrenamtliche in allen Arbeitsbereichen der Kirche einbringen und sogar neue Tätigkeitsfelder erschließen, lässt das auf eine lange Tradition des Ehrenamts in der Kirche schließen.

Härter: Das Ehrenamt in der Kirche ist in der Tat schon sehr alt. Vom Begriff des "Ehrenamts" spricht man aber erst seit ca. 150 Jahren. Das  hängt mit v.a. mit allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen zusammen. Insbesondere im  diakonischen und kulturellen Breich konnten sich Menschen seit dieser Zeit ehrenamtlich betätigen und ihrer eigenen Berufung folgen. Durch die Initiative Ehrenatmlicher sind immer wieder neue Arbeitsfelder entstanden, beispielsweise in den letzten Jahrzehnten im diakonischen Bereich, in der Hospizbewegung, in den Vesperkirchen oder auch in der Bildungsarbeit und im Kulturbereich

Clauß: Die Kirche ist von ihrem Selbstverständnis her angewiesen, auf die Bereitschaft zum Ehrenamt. Kompetenz und innere Motivation ihrer Ehrenamtlichen. Das Thema Berufung spielt dabei aber auch eine Rolle. Menschen entdecken ihre Gaben und bringen sie über das Ehrenamt in der Kirche ein. Da liegt sicherlich ein Unterschied im Vergleich zu allgemeingesellschaftlichen Ehrenamt. Neue Arbeitsfelder und Ideen gingen und gehen stark von Ehrenamtlichen aus, die dies als ihre Aufgabe sehen. Es muss aber noch mehr ins Bewusstsein rücken, dass eigene Gestaltungsimpulse möglich sein sollten. Das hat etwas mit der Haltung gegenüber Ehrenamtlichen zu tun.

 

bildungsportal-kirche.de:Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

Bildungsangebote für Ehrenamtliche

Das Beratungsangebot "Ehrenamt fördern mit System" setzt an der Basis an und klärt mit den Kirchengemeinden ihre Ausgangslage. In einem Beratungsprozess können sich Kirchengemeinden unterstützen lassen durch Prozessbegleitung und durch fachliche Inputs zu Ehrenamtsförderung mit System. Damit soll für jede Gemeinde eine individuelle Ehrenamtsförderung ermöglicht werden.

 

Ein Großteil der Bildungsangebote für Ehrenamtliche findet auf der Ebene der Kirchengemeinden und Kirchenbezirke und der landeskirchlichen Einrichtungen und Werke statt.

 

 

Brunhilde Clauss

Referentin Bereich Gemeindeentwicklung und Gottesdienst, Leiterin des Projekts "Ehrenamt fördern mit System" im Evangelischen Bildungszentrum Birkach

 

Hans-Martin Härter

Diakon und Gemeindeberater, Referent für Kirchengemeinderatsarbeit und Ehrenamt im Evangelischen Bildungszentrum Birkach